Marlu Müller-Bremm *17.09.1955


 

Geschäftsfrau, Visionärin für gesunde und bezahlbare Bio-Lebensmittel

  

Sie leitete 38 Jahre lang erfolgreich den Bio-Laden „Regenbogen, das einzige zertifizierte Bio-Fachgeschäft in Friedberg. Mit dem Wunsch, gesunde Lebensmittel aus der Region anzubieten, war sie ihrer Zeit weit voraus. Den Standort in Friedberg für den „Regenbogen“ zu halten war für sie bis zum Eintritt in die Rente ein Lebensziel, dem sie sich mit ganzem Herzen widmete. Im Dezember 2022 ging sie in den Ruhestand und übergab den Laden an einen Nachfolger.


 

Interview  

 

38 Jahre lang war Marlu Müller-Bremm mit ihrem Bioladen Regenbogen eine feste Institution in Friedberg.  

 

Mit der Geburt ihres Kindes begann sie sich zusammen mit anderen Frauen intensiv mit dem Thema gesunde Lebensmittel zu beschäftigen. Ihr Ziel war es, den Kindern und Familien gesunde Lebensmittel anzubieten, die nach ökologischen Prinzipien produziert

werden und für alle bezahlbar sein sollten. 1984 trat sie einem 12-köpfigen Kollektiv bei, das den Laden Regenbogen 1981 gegründet hatte. Dieser Laden hatte damals noch, dem Zeitgeist angepasst, ein breit gefächertes Angebot aus Büchern, Naturtextilien und Wolle sowie zu einem Drittel Naturkost-Artikel und saisonales Obst und Gemüse. In den folgenden Jahren gründeten sich immer mehr Firmen, die biologische Waren produzierten und vermarkteten. Dadurch wurde das Angebot im Regenbogen für Kundinnen und Kunden immer reichhaltiger und vielfältiger . In dieser Zeit veränderte sich auch die Führungsstruktur des Geschäftes. 1990 wurde sie die alleinige Inhaberin des Bio-Ladens Regenbogen, den sie mit viel Herzblut und Leidenschaft führte, immer mit dem Ziel hochwertige Lebensmittel aus ökologischem Anbau anzubieten. Schon damals achtete sie, ihrer Zeit damit weit voraus, auf regionale und saisonale Produkte. Obst, Gemüse und Backwaren wurden im Regenbogen unverpackt angeboten. Produkte aus Deutschland waren ihrer erste Wahl, ergänzt aber auch durch Produkte von ökologischen Anbietern aus Europa und Übersee. Viele der sorgfältig ausgesuchten Anbauer und Produzenten lernte sie auf Fortbildungen, Messen und auf Reisen, unter anderem bis nach Bhutan, persönlich kennen und pflegte die Kontakte. Regional und saisonal einkaufen zahlte sich aus. Der Kunde bekam qualitativ hochwertige, nach den besten ökologischen Standards produzierte Lebensmittel.

 

Bio-Lebensmittel zu fairen Preisen für die gesamte Lieferkette sind zwar etwas teurer, bieten aber mehr Lebensmittelqualität und sind ein deutlicher Gewinn für Erde, Wasser und Luft

Nirgendwo sonst gab es in Friedberg einen Laden, der ausschließlich Bioprodukte führte, so ein breites frisches Angebot vorrätig hielt, individuelle Kundenwünsche erfüllte und gleichzeitig ein Ort für Begegnung und Austausch war. Der Regenbogen wurde zum einzigen zertifizierten Bio-Fachgeschäft in der Kernstadt Friedbergs. Dank der Hingabe und Verbundenheit seiner Inhaberin, erhielt der Laden die Auszeichnung „Familienfreundliches Unternehmen“ und wurde auf der Fachmesse Biofach mit einer Silbermedaille geehrt. Marlu Müller-Bremm stand ihren Kunden stets freundlich mit Rat und Tat, Rezeptideen und Informationen zur Herkunft und Produktion ihres Sortiments zur Verfügung. Auch ungewöhnliche Kundenwünsche versuchte sie zu erfüllen. Es gab immer wieder Infoabende zu Umweltthemen und besondere Kochkurse. Für die Kunden aus dem umliegenden Wohnviertel war der Regenbogen der einzige Nahversorger .

Im Dezember 2022 ging Marlu Müller-Bremm in den Ruhestand. Sie verkaufte ihr Unternehmen an den Biomarkt Bad Nauheim

Die Eröffnung als Filiale des Biomarkts Bad Nauheim, fand am Ersten Februar 2023 statt. 



 

Frankfurter Neue Presse    
https://www.fnp.de/lokales/wetteraukreis/friedberg/bioladen-regenbogen-schliesst-91864423.html

 

Bioladen »Regenbogen« schließt

Friedberg (har). Im September vergangenen Jahres hatte der Bioladen »Regenbogen« in der Lindenstraße sein 40-jähriges Bestehen gefeiert. Damals war für die Kundschaft noch nicht abzusehen, dass das Naturkostgeschäft wohl vor der Schließung steht. »Wir schließen am 29. Oktober«, steht auf zwei Zetteln an den Türen des Geschäfts.

Doch es gibt noch einen Hauch von Hoffnung. Derzeit spricht Inhaberin Marlu Müller-Bremm mit einem Interessenten, der das gut laufende Geschäft übernehmen möchte. »Das erste Gespräch war sehr gut, die Verhandlungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen«, sagt Müller-Bremm, deren Entschluss, den Bioladen nicht mehr weiterzuführen, schon seit zwei Jahren feststeht. »Ich bin jetzt im Rentenalter und ich bekomme auch Rente, im Gegensatz zu vielen anderen Selbstständigen«, sagt die Geschäftsfrau, die schon lange einen Nachfolger sucht.

Anfangs Wolle, Bücher, Naturkost

Dass es möglicherweise zur endgültigen Schließung kommt, hätte sie ebenso wenig gedacht wie ihr Vermieter und die vielen Stammkunden, vor allem aus dem Westgebiet, für die der »Regenbogen« der Nahversorger schlechthin ist. »Wir sind morgens, mittags und auch abends für viele der Bäcker, bei dem man Brot und Brötchen holt«, erzählt Müller-Bremm.

»Ich habe viele Gespräche geführt, Interessenten gab es genug, doch es muss ja auch passen.« Über den Einzelhandelsverband, die Unternehmensbörse und auf weiteren Wegen versuchte die Inhaberin, einen Nachfolger zu finden - bisher vergebens. »Das wäre so schade, wenn der ›Regenbogen‹ für immer schließen muss«, sagt Müller-Bremm, die zu den Initiatoren des wohl ersten Bioladens in der Wetterau gehört hat.

Die Geschichte des Geschäfts dürfte in der Region vermutlich ziemlich einmalig sein: Im Jahre 1981 gründete ein zwölfköpfiges Kollektiv den Laden. Dabei handelte es sich um Menschen, die sich in der Umwelt-, Anti-Atomkraft- und Dritte-Welt-Bewegung engagierten. Das Angebot bestand in den Anfangsjahren zu gleichen Teilen aus Wolle, Büchern und Naturkost. Nach und nach verlagerten sich die Schwerpunkte des Sortiments. Im Jahre 1990 wurde Marlu Müller-Bremm alleinige Inhaberin, und vor zehn Jahren zog das Geschäft in das mit 160 Quadratmetern Verkaufsfläche wesentlich größere Ladengeschäft im selben Gebäudekomplex direkt um die Ecke. Heute ist der »Regenbogen« ein erfolgreiches Fachgeschäft mit einer breiten Palette von weit über 6000 Produkten. Von Beginn an ist der Bioladen Mitglied im Bundesverband Naturkost. Überwiegend stammen die Produkte von Anbietern aus der Region, mit denen Marlu Müller-Bremm schon seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Diese gehören bekannten Bioanbauverbänden wie Bioland oder Demeter an.

Vielfältig ist das Angebot an Biolebensmitteln. Täglich werden Obst, Gemüse, Molkereiprodukte, Fleisch und Wurst sowie Backwaren frisch angeliefert. »Unsere Kunden wollen, dass dieses Angebot erhalten bleibt«, sagt die Inhaberin und fügt hinzu: »Ich natürlich auch.«

Die Reaktionen auf die Bekanntgabe der Schließung waren zum Teil höchst emotional, wie Müller-Bremm erzählt: »Hier haben ältere Kundinnen gesessen, geweint und gefragt: Wo soll ich denn jetzt einkaufen?«. Selbst Kinder hätten Tränen in den Augen gehabt, sagt die Inhaberin, die immer noch auf einen Nachfolger hofft.

»Ich habe allen Interessenten angeboten, sie einzuarbeiten und in den ersten Monaten vor Ort zu unterstützen. Es muss doch weitergehen«, sagt die Baldrentnerin, die immer wieder betont, dass sie keinerlei finanzielle Probleme habe. »Auch wir haben Umsatzrückgänge, das darf man aber nicht mit den beiden Corona-Jahren vergleichen. Uns geht es, gemessen an den Vor-Corona-Jahren, gut.«

Auf jeden Fall will der Vermieter dafür sorgen, dass - sollte der »Regenbogen« tatsächlich für immer schließen - dort weiter Lebensmittel verkauft werden. Ob es mit dem »Regenbogen« weitergeht oder nicht: Malu Müller-Bremm freut sich auf ihren Ruhestand und vor allem auf ihren fünf Monate alten Enkel, den sie dann öfter als bisher sehen wird.


Quellennachweis:

 

Rahn, Manuela (2023): Persönliches Interview mit Marlu Müller-Bremm.

Schuchardt, Harald (2022): Bioladen “Regenbogen” schließt. In: Frankfurter Neue Presse vom 21.10.2022, https://www.fnp.de/lokales/wetteraukreis/friedberg/bioladen-regenbogen-schliesst-91864423.html, letzter Zugriff: 12.07.2023.